St. Nicolaiheim e.V. - Gewaltschutz
18 19 Weiter wird es als relevant angesehen, Betroffenen, Ausübenden und auch Be- obachtenden von Gewalt die Möglich- keiten einer professionellen Nachsorge anzubieten, denn das Erleben von Gewalt kann eine Reihe von Folgen bewirken, die bis hin zu einer posttraumatischen Bela- stungsstörung (PTBS) führen können. Die- se Auswirkungen können durch effektive Handlungsbereitschaft des Vereins im Fall von Gewalterleben reduziert werden, wes- halb eine umfassende Nachsorgestruktur für unabdingbar erachtet wird. Wichtig ist in allen Fällen eine instituti- onelle Aufarbeitung . Für die Leistungs- berechtigten stehen hier bei Bedarf ex- terne Personen der Seelsorge, Ärzt:innen und / oder Psychotherapeut:innen zur Ver- fügung. Darüber hinaus können nach Rücksprache externe Beratungsstellen für eine psychologische Krisenhilfe in An- spruch genommen werden. Nachsorgegespräche Nach einem Gewaltvorkommnis finden in- dividuell gestaltete Nachsorgegespräche mit den beteiligten Personen statt. Diese Gespräche bieten die Möglichkeit, das Ge- schehene gemeinsam zu rekonstruieren, Sinnhaftigkeit zu erarbeiten und eine Be- arbeitung und Evaluierung des Erlebten im Hinblick auf zukünftige Veränderungen zu ermöglichen. Gleichzeitig können in den Nachgesprächen eventuelle Nachsorge- bedürfnisse einzelner Beteiligter zum Vor- schein treten und Nuancierungen erar- beitet werden, mit dem Ziel, eine Wieder- holung der Kontextbedingungen, die zu dem Gewaltvorkommnis führten, künftig zu vermeiden. Hierbei sollte die gewalt- ausübende Person in die abschließen- den Gespräche einbezogen werden, um dessen Verständnis der Situation Recovery- orientiert in die Nuancierung der präven- tiven Maßnahmen miteinbeziehen zu kön- nen. Weiter zu bedenken ist, dass Lang- zeitnachwirkungen gerade nach massivem Gewalterleben möglich sind, weshalb auch nach längerer Zeit eine Achtsamkeit auf das Wohlbefinden des Betroffenen wichtig ist. Grundsätzlich wichtig in der Nachsorge ist die Überarbeitung/ Implementierung von Maßnahmen zur Prävention und Intervention im pädagogischen Team. Ein erhöhtes Verständnis und eine Acht- samkeit für die auslösenden Momente und deeskalierenden Methoden in Bezug auf die jeweilige leistungsberechtigte Per- son sollten nach einem Gewaltvorkomm- nis angestrebt werden. Hierunter liegt der vorrangige Fokus auf der Verhinderung von Gewaltpotenzialen, einer Evaluierung der Gewaltpotenziale, die nicht verhin- dert werden können und zeitgleich einer bedarfsangepassten Justierung der Maß- nahmen, Kontexte oder Umstände, die zu dem Gewaltvorkommen geführt haben. Nachsorge und Stabilisierung 7. Dokumentation Durch eine ausführliche Dokumentation der Gewaltvorkommnisse, möglichst im Mehraugenprinzip, wird als ein erster wichtiger Schritt das Gewaltpotenzial der oder des Einzelnen aufgedeckt, wodurch eine professionelle Bewertung des Ge- waltrisikos ermöglicht wird. Diese führt in der Regel immer zu einer Besprechung/ Nachbesprechung in den Teamstrukturen. Fortwährende, nicht adäquat gehand- habte Gewalterlebnisse können sowohl für die Leistungsberechtigten, dessen Lebens-, Arbeits- und Wohnkontext oft direkt betroffen ist, als auch für die Mit- arbeitenden, dessen psychisches Arbeits- milieu durch ein andauernd hohes Ge- waltpotenzial beeinträchtigt wird, starke Auswirkungen haben. Für eine umfassende Nachvollziehbarkeit sind folgende Punkte relevant: • detaillierte Beobachtung des Vorkomm- nisses sowie Dokumentation der Anzahl und Formen der Gewaltvorkommnisse • die Umstände, unter denen das Gewalt- vorkommnis geschah: Was geschah, ehe die Person gewalttätig wurde und wie wurde mit dem oder den Situati- onen umgegangen? Die Dokumentation kann dazu beitragen, den Umfang, die Schwere und die Häufig- keit der einzelnen Gewaltvorkommnisse zu registrieren und eine Beurteilung der Gewaltpotenziale und somit perspektivi- sche Präventions- oder Kontextverände- rungen zu ermöglichen. Je deutlicher ein- gekreist werden kann, unter welchen Um- ständen Gewalt vorkommt, je besser kann aus institutioneller Sicht adäquat und risiko- minimierend reagiert werden.
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