St. Nicolaiheim e.V. - Gewaltschutz
4 5 Gewalt ist der tatsächliche oder ange- drohte Gebrauch von physischer oder psy- chischer Macht / Kraft zum Nachteil einer oder mehrerer Personen (Definition auf Grundlage der Gewaltdefinition nach WHO 2009). Es kann grundsätzlich unterschie- den werden zwischen personenbezogener (von Personen ausgehender) und struktu- reller (von äußeren Faktoren abhängiger) Gewalt. Personenbezogene Gewalt • Physische Gewalt Handlungen gegen die körperliche Inte- grität eines anderen Menschen oder Schädigungen des eigenen Körpers. Beispiele: sich selbst oder andere Per- sonen mit Gegenständen oder Händen schlagen, beißen, treten • Psychische Gewalt Form von Gewalt auf seelischer Ebene, die einen Angriff auf die Selbstsicherheit oder das Selbstbewusstsein eines ande- ren Menschen darstellt. Sie zielt auf Ge- danken und Gefühle eines anderen, um – bewusst oder unbewusst – Kontrolle und Macht auszuüben. Beispiele: Drohung, Mobbing, Cyber- mobbing, Demütigung, Erniedrigung oder Einschüchterung eines anderen, Machtmissbrauch • Sexualisierte Gewalt Handlungen mit sexuellem Bezug, die mit, vor oder an einem anderen Men- schen gegen dessen Willen vorgenom- men werden (ausführliche Definition siehe Sexualpädagogische Konzeption des St. Nicolaiheim e. V.). Beispiele: vulgäre oder obszöne Bilder und Bemerkungen, auch in digitaler Form, Exhibitionismus, grenzüberschreitende Berührungen, Vergewaltigung • Materielle Gewalt Fehlender Respekt vor oder Schädigung von persönlichem bzw. öffentlichem Eigentum. Beispiele: Diebstahl, Beschädigung / Zer- störung von Sachgegenständen, Tier- quälerei Strukturelle / institutionelle Gewalt Beeinträchtigung menschlicher Bedürfnisse und Benachteiligung von Personen(-grup- pen) durch gesellschaftlich und institutio- nell vorgegebene Lebensbedingungen und Strukturen. Beispiele: fehlende Beteiligungs- und Mit- bestimmungsmöglichkeiten, überhöhte Leistungsanforderung, mangelnde Barrie- refreiheit, Diskriminierung, ökonomische Benachteiligung, ungleiche Machtverhält- nisse und Lebenschancen Definition und Abgrenzung der Gewaltformen 2. Abgrenzung der Gewaltformen In dem Konzept wird vorrangig ein Fokus auf die personenbezogene Gewalt gelegt, mit dem Bewusstsein um die Relevanz der strukturellen Gewalt, dessen Ausprä- gungsverringerung ebenfalls Teil der päda- gogischen Arbeit im St. Nicolaiheim e. V. ist. Im Bereich der sexuellen Gewalt hält der Verein eine Sexualpädagogische Konzeption mit entsprechenden Präven- tions-, Interventions- und Nachsorgemaß- nahmen vor, sodass diese Form der Gewalt in dieser Konzeption nur peripher behan- delt wird. Kritische Episode Nachfolgend wird der Begriff der »kri- tischen Episode« verwendet. Kritisch ist eine Episode dann, wenn ein Risiko be- steht, dass eine Person Gewalt ausübt, die durch die Anwendung unterschiedlicher Handlungsstrategien von involvierten Per- sonen deeskaliert werden kann. Kommt es zu einem gewalttätigen Übergriff, ist von einem »Gewaltvorkommnis« die Rede. Stufen der Gewalt Eine Einteilung der unterschiedlichen Aus- prägungen von Gewalt wird als sinnvoll erachtet, um eine Differenzierung der pädagogischen bzw. strafrechtlichen In- terventionsmaßnahmen und somit eine größtmögliche Handlungssicherheit und Transparenz zu ermöglichen. Wichtig ist, dass die pädagogischen Interventionen im Fall eines Gewaltvorkommnisses immer unter Berücksichtigung der individuellen Bewertung und einer kontextsensitiven Einordnung in den pädagogischen Ge- samtkontext stattfinden. • Grenzverletzung Nicht zwingend beabsichtigte Verlet- zung der persönlichen Grenzen eines anderen Menschen. Pädagogische In- tervention und ein Eintrag in die Doku- mentation kann erforderlich sein. Beispiele: Verletzung persönlich defi- nierter Grenzen durch Distanzlosigkeit, verbale Entgleisung (Beschimpfung, Bloßstellen), Anspucken, Missachten von Belastbarkeit, materielle Gewalt • Übergriff Das Hinwegsetzen und Überschreiten persönlicher Grenzen eines anderen Menschen, das von der gewaltbetrof- fenen Person , der gesetzlichen Vertre- tung und dem pädagogischen Personal als übergriffig wahrgenommen wird. Pädagogische Intervention, ein Eintrag in die Dokumentation und bei beson- deren Vorkommnissen, gemessen am jeweiligen Einzelfall, eine ausführliche Dokumentation und eine Information an die Leitungsebene ist erforderlich. Psychische Ersthilfe (siehe Seite 15) wird nach Bedarf angeboten. Beispiele: vorsätzliche und leichte Kör- perverletzung durch leistungsberechtig- te Personen (Schlagen, Treten, Beißen), Voyeurismus, Mobbing
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