St. Nicolaiheim e.V. - Pädagogische Grundhaltung
12 13 Grundhaltung • Recovery-basiertes Arbeiten ist eine pädagogische Grundhaltung und ist keine dezidierte Methodik. Der Fokus im Bereich des Gewaltschutzes im St. Nico- laiheim e. V. liegt unter anderem auf der Frage, wie die leistungsberechtigte Person in der Definition und Umsetzung ihres Verständnisses eines lebenswerten Lebens gezielt und wissensbasiert unter- stützt werden kann. • Es wird angenommen, dass Gewaltvor- kommnisse maßgeblich reduziert wer- den können, wenn die pädagogische Arbeit das Ziel verfolgt, die leistungsbe- rechtigte Person in dem Erlangen, der Weiterentwicklung oder der Bewahrung eigener Fähigkeiten zu unterstützen, so dass die betreffende Person ihr Leben als selbstständig und sinnhaft auffasst. • Wichtigste Prämisse in der Zusammen- arbeit ist eine Unterstützung dahinge- hend, dass die leistungsberechtigte Per- son weitestgehend die Kontrolle über das eigene Leben wahren kann. • Der individuelle Recovery-Prozess basiert auf der Annahme, dass stets individuelle Entwicklungspotenziale vorhanden sind, deren Entfaltung es bestmöglich zu un- terstützen gilt. • Die Rolle der Fachkräfte im Recovery- Prozess liegt auf der Gleichwertigkeit. Die leistungsberechtigte Person als Erfahrungsexpert:in ihrer selbst, die richtungsgebend für die weitere Ziel- setzung ist, und die Fachperson, die mit fachlichen Methoden, Systematik und Werkzeugen diesen Prozess begleiten und unterstützen kann. • Hierbei agieren die leistungsberechtigte Person und die Mitarbeitenden als gleich- wertiges Team, wobei in der Dualität der leistungsberechtigten Person als Ex- pert:in ihrer selbst und den Mitarbei- tenden als Fachexpert:innen in enger Zusammenarbeit Veränderungspro- zesse und Maßnahmen entwickelt und initiiert werden können. • Unterschieden wird dabei in drei Reco- very-Prozesse: persönlich, klinisch und sozial. • Beim persönlichen Recovery-Prozess steht das individuelle Erleben von Le- benszufriedenheit der leistungsberech- tigten Person im Zentrum. Die indivi- duelle Auffassung eines guten Lebens ist hier von zentraler Bedeutung und die leistungsberechtigte Person wird als Erfahrungsexpert:in ihrer Selbst an- gesehen, die über ein wichtiges Wissen für die pädagogische Arbeit verfügt. Re- covery ist ein persönlicher Prozess, der Recovery 3. • Der Ansatz geht, ebenso wie der Low- Arousal-Ansatz, davon aus, dass jeder Mensch so begleitet werden sollte, mög- lichst gar nicht erst in »kritische Episo- den«* zu kommen. Der Ansatz leitet entwicklungspsychologisch passende Anforderungen ab und begegnet dem leistungsberechtigten Menschen dort, wo er mit seiner individuellen Ent- wicklung steht. Somit steht das SEED- Wissen mit als eine Grundlage für Deeskalation und Prävention. • Eine sorgfältige Zuordnung der einzel- nen Phasen und eine dementsprechende Anpassung der Beziehungsgestaltung sowie der gestellten Anforderungen können das Wohlbefinden und die indi- viduelle Entfaltung der leistungsberech- tigten Personen höchstmöglich steigern, wodurch das Auftreten von Gewaltvor- kommnissen nachhaltig minimiert wer- den kann. Literaturverzeichnis Geisler (2021): Wohin mit meiner Wut? Emotionale Entwicklung für Kinder ab 5 Jahren, Loewe Verlag Sappok / Zepperitz et al. (2019): Das Alter der Gefühle, Hogrefe Verlag Sappok / Zepperitz et al. (2018): SEED Skala der Emotionalen Entwicklung – Diagnostik, Hogrefe Verlag Sappok / Zepperitz et al. (2022): Was braucht der Mensch? Hogrefe Verlag * Kritisch ist eine Episode dann, wenn ein Risiko besteht, dass eine Person Gewalt ausübt, die durch die Anwendung unterschiedlicher Handlungsstrategien von involvierten Personen deeskaliert werden kann. > Siehe Seite 4 Gewaltschutzkonzept
Made with FlippingBook
RkJQdWJsaXNoZXIy NTEwNjg=