St. Nicolaiheim e.V. - Pädagogische Grundhaltung

18 19 Ein Großteil des als herausfordernd er- lebten Verhaltens kann als Versuch ver- standen werden, die Selbstkontrolle zu bewahren. In der Regel gilt: Je mehr ex- terne Kontrolle erfahren wird, je weniger Autonomie wird empfunden und je ge- ringer die Selbstkontrolle. »Hinter jedem heraus- fordernden Verhalten liegt ein ungelöstes Problem.« Dr. Ross W. Greene • Herausforderndes Verhalten entsteht in der Mitte des Kreuzes, wenn die Anfor- derung die individuellen Bewältigungs- strategien übersteigen. Wenn soziale Kompetenzen gefordert sind und die betreffende Person in dem Bereich Entwicklungsverzögerungen aufweist, kann das aus einer Form der Überforde- rung resultieren. Vulnerabilitäts-Stress-Modell • Um die Entstehung von Gewaltvor- kommnissen im Zusammenhang mit dem Arousalniveau (Anspannungsni- veau) zu verstehen, wird eine Form des Vulnerabilitäts -Stress-Modelles nach Hejlskov & Sjölund (2019) genutzt. Grundlegend kann in zwei Formen der Belastung unterschieden werden: • Basale Belastungsfaktoren Kognitive Beeinträchtigung (Beurtei- lungs- und Einschätzungsschwierigkei- ten von Situationen, Schwierigkeiten in der Affektregulierung) und belastende Umgebung (fehlende Struktur, zu hohe soziale/fachliche Anforderungen, starke Sinneseindrücke). • Situationsbedingte Belastungsfaktoren Stress entsteht durch unvorhergesehene oder unverständliche Ereignisse (uner- warteter Besuch, ein geplanter/abge- sagter Ausflug). • Steigt das Arousalniveau, sinken die exe- kutiven Fähigkeiten (problemlösendes, strategisches und logisches Denken, Fähigkeiten zur Selbstregulierung und Zusammenarbeit). Wenn mehrere Be- lastungsfaktoren zusammenkommen, steigt die Affektintensität bis zu einer Symptomäußerung (rote Flecken am Hals, abgehakte Sprache, »Jetzt fehlt nicht mehr viel, dann explodiert er«). • Bei Menschen mit herausforderndem Verhalten liegen häufig bereits grund- sätzliche Belastungsfaktoren vor, die die Stresstoleranz mindern. Ist das An- spannungsniveau hoch, kann eine un- vorhergesehene Situationsveränderung ausreichen, um eine Chaosphase auszu- lösen. • Wichtige Kernfrage hier lautet: Wie kann die Bedeutung oder die Aus- prägung der Belastungsfaktoren vermin- dert werden, um die Toleranz bis zur Symptomlinie zu vergrößern? Abb.: Eigene Darstellung auf Grundlage des Vulnerabilitäts-Stress-Modell Symtomlinie Affektintensität Ausflug abgesagt Schulische Anforderungen schwer zu erfüllen Schwierigkeiten in der Affektregulation Niedrig ausgeprägte soziale Kompetenzen Chaos Keine Kontrolle Selbstkontrolle Anforderungen Bewältigungs- strategien

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