St. Nicolaiheim e.V. - Pädagogische Grundhaltung
20 21 Konfliktmodell • Das Konfliktmodell nach Kaplan & Wheeler (Hejlskov & Sjölund 2012) ist ein proaktives Analysemodell, um ein tieferes Verständnis für die Entstehung und den Verlauf von Gewaltvorkomm- nissen zu erlangen. • Der pädagogische Schwerpunkt liegt auf der Eskalationsphase, in der unter- schiedliche Strategien zur Deeskalation beitragen können. Ziel ist es, das Arou- salniveau so niedrig zu halten, dass eine Zusammenarbeit in der Eskalations- phase möglich bleibt: • Affekt kann ansteckend wirken: Nicht konfrontierend / wütend / vorwurfsvoll agieren. Wichtig ist: Körpersprache beachten (Abstand wahren, keinen Augenkontakt erzwingen, Muskeln entspannen, ruhige Stimme nutzen). • Um Flexibilität und Empathie zu bewah- ren, wird herausforderndes Verhalten (Schreien, Schlagen, Verweigern, Weg- laufen, Beißen) als Versuch der Wahrung der Selbstkontrolle gewertet. Es sind möglicherweise keine konstruktiven Re- aktionen, darüber kann nach erfolgter Deeskalation gesprochen werden. • In der Chaosphase ist kein Lernprozess möglich. Moralische Fragen (»Was wol- len wir aushalten, was wollen wir durch- gehen lassen?«) können später erörtert werden, vorrangig in der Eskalations- phase ist die Deeskalation. • Nachfolgende Fragen können ein umfas- senderes Situationsverständnis bei Ge- waltvorkommnissen ermöglichen (siehe Grafik Seite 20): • Alltagsphase: Wie war die Situation vor dem Affekttrigger? Was waren die basalen / situationsbedingten Belastungs- faktoren? • Affekttrigger: Was war der Auslöser (Verhalten anderer, explizite und impli- zite Anforderungen, unüberschaubare Situation, individuelle Belastungssitua- tion)? Können vergleichbare Affekttrig- ger künftig vermieden werden? Wenn ja, wie? Wenn nein, wie kann mit der Situation fortan pädagogisch umge- gangen werden? • Eskalationsphase: Was wurde getan, um die gewaltauslösenden Belastungs- faktoren in der Eskalationsphase zu mini- mieren? Welche pädagogischen Strate- gienwurden genutzt, umzu deeskalieren (pädagogische Intervention, Ablenkung, bewusste Körpersprache)? Was hätte anders gehandhabt werden können? • Chaosphase: Konnte die Situation schnell und effektiv unterbrochen wer- den? Trug die pädagogische Intervention zu einer Verkürzung der Chaosphase bei? Wenn nein, was hätte anders ge- macht werden können? • Deeskalationsphase: Konnten die an- gewandten Deeskalationsstrategien die Situation entschärfen? Konnten Trigger zur erneuten Eskalation verhindert wer- den? Wenn nein, was hätte anders ge- macht werden können? Literaturverzeichnis Greene (2011): Das Explosive Kind – Plan B für Eltern von kleinen Tyrannen, Edition Spuren Greene (2019): Verloren in der Schule: Wie wir herausfordernden Kindern helfen können, Hogrefe Verlag Hejlskov (2015): Herausforderndes Verhalten vermeiden: Menschen mit Autismus und psychischen oder geistigen Einschränkungen positives Verhalten ermöglichen, dgvt-Verlag Hejlskov & Sjölund (2022): Handeln, Auswerten, Verändern: Vom unaufgeregten Umgang mit Menschen mit einer Autismus-Diagnose und einer an Autonomie orientierten Pädagogik, dgvt-Verlag McDonnell (2019): The Reflective Journey – A Practitioner’s Guide to the Low Arousal Approach, Autism Aware Center Inc. Socialstyrelsen (2017): LA2 – Metodemanual til forebygelse af vold og fremme af trivsel på botilbud Theunissen (2021): Geistige Behinderung und Verhaltensauffälligkeiten, utb GmbH Theunissen (2014): Positive Verhaltensunter- stützung – eine Arbeitshilfe für den päda- gogischen Umgang mit herausforderndem Verhalten bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Lernschwierigkeiten, geistiger Behinderung und Autismus; Bundesvereinigung Lebenshilfe Abb.: Auf Grundlage von Hejlskov Elvéns »Affektudbrudsmodel« (2012) Keine Kontrolle Selbstkontrolle Chaos Chaos Deeskalation Alltag Eskalation Affekttrigger Affektintensität
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