St. Nicolaiheim e.V. - Pädagogische Grundhaltung
4 5 Grundhaltung • Trauma wird definiert als ein Erlebnis einer oder mehrerer Situationen, die eine außergewöhnliche Bedrohung dar- stellen und aus denen die betroffene Person weder flüchten noch sie akzep- tieren oder bewältigen kann. • »Jedes Symptom / Verhalten hat seinen guten Grund.« Dies ist der Satz, der die grundlegende Haltung der Traumapäda- gogik zusammenfasst. Er beinhaltet die Annahme, dass auch nach außen hin defizitär wirkende Verhaltensweisen wie Affektregulationsstörungen in Form von Gewaltausbrüchen als Versuch einer Bewältigungsstrategie des Menschen zunächst anerkannt und als solche wert- geschätzt werden sollten. • Hintergrund ist, dass in der Traumapä- dagogik – insbesondere im Zusammen- hang mit komplex-traumatisierten Men- schen – davon ausgegangen wird, ein Mensch sei überdurchschnittlich oft mit Situationen konfrontiert worden, die von ihm subjektiv als lebensbedrohlich wahrgenommen wurden. Gefühle von Ohnmacht, Angst und Kontrollverlust sind im Erleben des Einzelnen signifikant und gegenwärtig. • Verfügt ein Mensch über die notwendige Resilienz, um Strategien zu entwickeln, auf seine Art bedrohliche Situationen zu bewältigen, so wählt er diesen eigenen Weg. Darauf basierend etablieren Opfer von Traumatisierungen zumeist ein Reak- tionsschema, das bei entsprechenden Impulsen (Trigger) wiederkehrende Re- aktionsprozesse in ihnen auslöst. • Übergeordnet lassen sich Betroffene ana- log ihrer zu beobachtenden Verhaltens- schemata in drei Kategorien unterteilen: diejenigen, die in potenziellen Gefahren- situationen: – die Flucht ergreifen – erstarren – den Angriff wählen. • Durch die oft sehr starr manifestierten und anfangs nur schwer zu durchschau- enden Verhaltensparadigmen können traumatisierte Personen in der Gruppen- dynamik im pädagogischen Alltag gerade im Zusammenhang mit Gewalt – sowohl als ausübende als auch als betroffene Person – viel Raum einnehmen. • Insbesondere diejenigen, die den Angriff als Kompensation eines vermeintlichen Kontrollverlusts /einer Bedrohungssitua- tion wählen, werden häufig als »System- sprenger:in« wahrgenommen und auch benannt. • Im Gegensatz zur Traumatherapie, die alle vier Phasen der traumazentrierten Traumapädagogik 1. Partizipation Annahme des guten Grundes Transparenz Wertschätzung Spaß und Freude Alles, was ein Mensch zeigt, ergibt Sinn in seiner Geschichte Ich traue dir etwas zu und überfordere dich nicht Jede:r hat jeder- zeit ein Recht auf Klarheit Es ist gut, so wie du bist Viel Freude trägt viel Belastung Abb.: Sprechblasentexte aus dem Positionspapier Fachverband Traumapädagogik 2011
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