St. Nicolaiheim e.V. - Pädagogische Grundhaltung
6 7 Beratung beinhaltet (Orientierung, Sta- bilisierung, Traumabearbeitung & Verar- beitung und Integration & Neubeginn), konzentriert sich die traumapädagogi- sche Arbeit zumeist auf den Bereich der ersten beiden Phasen. Hier spielt in der Arbeit insbesondere die Stabilisierung der betroffenen Person eine wichtige Rolle. Grundsätzlich sollte ein trauma- tisierter Mensch interdisziplinär auf sei- nem Weg begleitet werden. • Traumapädagogik wird auch als »Päda- gogik des sicheren Ortes« umschrieben, wobei auch ganzheitliche und ressour- cenorientierte Ansätze wie »Low Arou- sal« (Seite 14) in die Arbeit einfließen. Um diesen sicheren Ort für leistungs- berechtigte Personen zu schaffen, ist es zunächst erforderlich, Bedrohungs- reize zu identifizieren. Das heißt, die Besonderheiten erkennen zu lernen, die Krisen und Notfallreaktionen in einem Menschen auslösen. • Neben Biographiearbeit, kontinuierlicher Beobachtung und der Dokumentation aller Informationen ist der Umgang der Fachkräfte mit Krisen entscheidend. Sie sind durch ihre wertschätzende und respektvolle Haltung Teil des geschütz- ten Rahmens und können so für einen angstfreien Kontext Sorge tragen. • Durch erlebte Stabilität und Sicherheit können traumatisierte Betroffene Alter- nativerfahrungen sammeln, die sie in ihrem Verarbeitungsprozess unterstützen. Das Angebot stabiler Bindungen und das Ermöglichen positiver Selbstwirksam- keitserfahrungen kann Basis für die Mo- difikation entwickelter Verhaltenssche- mata sein. • Im transparenten und partizipierenden Austausch können die Betroffenen eigenen Sachverstand für dysfunktionale Folgeerscheinungen der erlebten Trau- mata entwickeln und entsprechend neue Lösungsstrategien für sich etablieren. • Methodisch kann auf Grundlage des Positionspapiers der »Bundesarbeitsge- meinschaft Traumapädagogik« in fünf Säulen (siehe Grafik Seite 4) unterschie- den werden: – Annahme des guten Grundes Gezeigtes Verhalten wird als Versuch der Bewältigung einer herausfordern- den Situation verstanden. – Partizipation Durch größtmögliche Selbst- und Mit- bestimmung wird die Motivation zur Zusammenarbeit als Voraussetzung für einen erfolgreichen pädagogischen Einsatz gestärkt. – Transparenz Transparente Erklärungsansätze kön- nen Vertrauen fördern und ein Ver- ständnis als Basis der konstruktiven Zusammenarbeit ermöglichen. – Wertschätzung Durch einen wertschätzenden und an- erkennenden Umgang wird Selbst- wert und Selbstbewusstsein der leis- tungsberechtigten Person gestärkt. – Spaß und Freude Durch eine gezielte Verstärkung posi- tiver Empfindungen wird die Belast- barkeit und Resilienz der leistungsbe- rechtigten Person unterstützt. • Ziel der traumapädagogischen Arbeit ist, zu innerer und äußerer Sicherheit zurück- zufinden und so ein Gefühl von Auto- nomie und Handlungskontrolle zurück- zugewinnen (Empowerment ). Somit bietet der traumapädagogische Ansatz eine qualifizierte physische, psy- chische und soziale Stabilisierung, die ressourcenorientiert die Verarbeitung erlebter Traumata begleiten kann. • Im Umgang mit traumatisierten Personen ist es auf der einen Seite erforderlich, als Mitarbeitende:r ein Verstehen zu signalisieren, um den Betroffenen den erforderlichen Schutz zu bieten, auf der anderen Seite jedoch auch Grenzen zu setzen, ohne Macht auszuüben. Dieser Weg ist impädagogischen Alltag auf- grund gruppendynamischer Prozesse zumeist nicht leicht und erfordert ein Höchstmaß an Professionalität. • Daher spielt in diesem Zusammenhang auch die Selbstfürsorge der oder des einzelnen Mitarbeitenden eine entschei- dende Rolle. Eigene Grenzen müssen hier klar definiert werden und sollten im Prozess der Begleitung jeweils kon- tinuierlich reflektiert werden, um die ungewollte Situation der Überforderung zu vermeiden. Denn Überforderung heißt immer auch Unsicherheit und diese kann im traumatisierten Gegenüber möglicherweise Retraumatisierungen auslösen, beispielsweise durch gewalt- tätiges Verhalten. Literaturverzeichnis Baierl & Frey (2016): Praxishandbuch Trauma- pädagogik – Lebensfreude, Sicherheit und Geborgenheit für Kinder und Jugendliche, Vandenhoeck & Ruprecht Verlag Fachverband Traumapädagogik e.V. (2011): Standards für traumapädagogische Konzepte in der stationären Kinder- und Jugendhilfe Gahleitner et al. (2017): Traumapädagogik in psycho-sozialen Handlungsfeldern. Ein Handbuch für Jugendhilfe, Schule und Klinik, Vandenhoeck & Ruprecht Verlag Heedt (2017): Psychotraumatologie. Traumafolgestörungen und ihre Behandlung, Schattauer Verlag Schmid et al. (2014): Traumapädagogik und ihre Bedeutung für pädagogische Einrich- tungen. – Ein Projekt des Universitätsklinikums Ulm mit dem CJD e.V., Jahrgang 14, Erev Verlag Weiß, Kessler & Gahleitner (2016): Handbuch Traumapädagogik, BELTZ Verlag
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