St. Nicolaiheim Sundsacker e.V. - Trauerkonzeption
16 17 1.5 _ Wie sterbende Menschen vom nahen Tod sprechen können Unsere Sprache ist vielschichtig und es gibt viele unterschiedliche persönliche Kommunikationsstile. Manch einem Men- schen, der sich in einer Krisen- oder Grenz- situation befindet, fällt es schwer, die pas- senden Worte zu finden. Deshalb erzählen auch Sterbende manchmal in Bildern und Symbolen und wollen damit ihren Äng- sten vor dem Sterben Ausdruck verleihen. Nicht immer werden sie verstanden, weil wir ihre Sprache nicht verstehen und nicht begreifen können, was sie uns mitteilen möchten. Häufiger vorkommende Symbole und Gleichnisse, mit denen Menschen nahe am Tode von ihrem Sterben erzählen, sind zum Beispiel: • eine große Reise steht bevor • die/der Sterbende möchte nach Hause • Koffer müssen noch gepackt werden • Fahrkarten sind zu besorgen • ein (Tür-) Schlüssel wird gesucht • eine Uhr soll entfernt werden, obwohl gar keine da ist • Hindernisse (ein Berg, ein Wassergraben, ein Meer) versperren den Weg • Kämpfe müssen noch bestanden werden • Angst, das »Geld« könne nicht reichen, weil »alles so teuer« geworden ist • Angst vor »Diebstahl« Weniger in Versuchung kommen wir, wenn wir sie als eine eigene Sprache begreifen, mit der der sterbende Mensch mitteilen möchte, dass er unterwegs ist und sein Leben endet. Wenig hilfreich sind Aus- sagen wie: »Aber das mit der Reise geht doch nicht!« – »Bleib mal schön hier!« oder »Nun mach doch die Augen auf, da ist doch gar keine Uhr!«. Wer einer sterbenden Person nahe sein möchte und diese dann von ihren »ma- teriellen« Sorgen sprechen hört, ist irritiert (über Geld redet man nicht und schon gar nicht angesichts des nahen Todes). Wer al- lerdings diese Ängste als Symbolsprache verstehen lernt, begreift die tiefliegende Unruhe eines Sterbenden, sich selbst und das kostbare Leben loslassen zu müssen. Für einen sterbenden Menschen ist es hilfreich, ihm ehrlich zu begegnen. Ehrlich sein heißt, dass wir uns nicht hin- ter irgendeiner Fassade verstecken. Was wir fühlen, denken und glauben, soll übereinstimmen mit dem, was man tut oder lässt. Denn gerade ein sterbender Mensch nimmt sensibel wahr, ob sich je- mand als Mensch auf ihn einlässt. Klar zu sein in den eigenen Gedanken, Gefüh- len, Gesten und Worten vermittelt ihm Sicherheit. Weiß man selbst um seine Möglichkeiten und Grenzen, weiß auch der sterbende Mensch, woran er ist. 1.6 _ Anderen Menschen Trost spenden, wenn Abschied genommen werden muss Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes »Trost« meint etwas ganz Handfestes und Brauchbares: Festigkeit, Sicherheit, Vertrag, Bündnis, Treue. Trösten heißt also soviel wie eine Bürgschaft leisten. Wer tröstet, stellt sich persönlich zur Verfügung und will, selbst in schweren Situationen, ein:e zuverlässige:r Partner:in sein. Wer sagt, dass er Trost braucht, ruft nach jeman- dem, der ihm zuverlässig zur Seite steht. Trauernde Menschen fühlen oft, dass sie anderen eine Last sind. Da sie aber nie- mandem zur Last fallen wollen, ziehen sie sich zurück. Was Trauernden grundlegend gut tut, ist Anteilnahme an ihrer Geschichte, an ihren Gefühlen und Gedanken. Ein- fach nur da sein. Zuhören, fragen. Trauernde erwarten oft gar keine trösten- den Worte, sondern einfach nur, dass man ihnen zuhört, dass sie verstanden und in ihrer Trauer angenommen werden. Die Fragen »Wie geht es Dir?«, die auch Zeit hat für eine Antwort, oder »Sag mal, wie war das eigentlich genau?« können Türen öffnen. Hilfreich ist oft auch, selbst tätig zu werden. Da können Trauersteine bemalt, der Sarg oder die Urne zum Bemalen oder Beschrif- ten ins Haus geholt werden. Im Trauerkoffer finden Sie gute Anregungen – auch Geschichten, die beim Trau- ern helfen können. »Selig sind, die da Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden.« (Matthäus 5,4) 16
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